5.12.2022
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Alan Lehr

Offroad Winter Fernreisen - worauf achten?

Die erste Reise die mich in den hohen Norden gebracht hatte ist etwas über eine Dekade her. Damals noch per Anhalter und im Biwak, bin ich die letzten Jahre immer wieder mit dem Offroader in diese außergewöhnliche Region Europas gefahren. In diesem Artikel will ich dich am Reiz von Lappland teilhaben lassen und dir einige Punkte erklären, die notwendig im Bezug auf die Vorbereitung sind. Dieser Artikel ist natürlich nicht abschließend und soll lediglich einen Anhaltspunkt für einige Themen bieten und keine vollständige Checkliste darstellen, sondern eher einen Eindruck einer solchen Reise vermitteln.

Lass uns eine Sache fest halten. Nordschweden und Nordnorwegen, sowie Finnland im Winter sind im wahrsten Sinne atemberaubende Gegenden. Es ist keine Seltenheit , dass die Temperatur Abseits von der Küste unter -30°C fällt. Interessanterweise sind die Temperaturen sowohl in Schweden als auch in Fjordnorwegen sofort deutlich wärmer, wenn man sich auf wenige Kilometer den Küstenregionen nähert. Obwohl das eine Gemeinsamkeit ist, könnten die beiden Küstenregionen nicht unterschiedlicher sein. Vor allem im Winter ist der Einfluss des Golfstroms schon mehrere hundert Kilometer vor der norwegischen Küste deutlich spürbar. Je weiter es nach Westen geht, desto kleiner werden die Gewächse und stärker der Wind. Wo vor allem Schweden das Land der Wälder ist, zeigt sich Norwegen eher als Land der Büschchen. Diese extremen Temperatur- und Witterungsunterschiede machen eine Autofahrt in den Norden zu einem Abenteuer. So muss ich an dieser Stelle ganz klar sagen. Die wirklich gefährlichen Straßen befinden sich tatsächlich eher in Norwegen. Wobei Schweden die Gefahr der extrem tiefen Temperaturen beherbergt.

Worauf also achten?

Fangen wir mal mit dem aller wichtigsten Thema an - der Bereifung. Ich wurde bereits bei der ersten Reise in den Norden von einem ortskundigen Freunde gewarnt mit den Worten: "Alan, be careful - streets can be really shitty up there". Er hatte recht, denn ab etwa 300 km nördlich von Stockholm ist es eher normal dass die Straßen vereist sind. Mit vereist meine ich, dass es hier keinen herkömmlichen Räumdienst mehr gibt, der die Straßen wirklich von Schnee und Eis befreit, sondern im besten Fall den hohen Schnee räumt und in die darunterliegende Eisschicht eine raue Oberfläche fräst. Salz wirkt schließlich nur bis zu einer Temperatur von -15°C - abhängig von der Mischung. Ich fahre seit ca. zwei Jahren im Winter einen Nokian Hakkapeliitta LT3 - also einen Profi der aus der Region kommt und aus einer besonders weichen Mischung besteht. Des weiteren hat der Reifen den Vorteil, dass es möglich ist in vorgefertigte Löcher Spikes einzuschrauben. Das kostet zwar seine Zeit, bringt aber ein großes Maß an Sicherheit. Denn wenn mal wieder das Heck in der Kurve kommt, ist der Fahrer froh, wenn etwas mehr Grip als bei einem blanken Gummiprofil vorhanden ist.

Als nächstes gibt es Sinn vor der Reise eine ausführliche Winter-Inspektion des Fahrzeugs durchführen zu lassen. Bei der Fachwerkstatt sollte unbedingt dem Inspekteur erklärt wo es hingeht. Er muss nämlich den Frostschutz des Motorkühlkreislaufes prüfen. Hierfür hat praktisch jede Werkstatt ein Refraktometer, welches die Messung des Kühlmittels ermöglicht. Wenn die Temperatur das Kühlmittel zum frieren bringt, könnte ein Motorschaden die folge sein. Zwar besitzen die meisten Motoren so genannte "Froststopfen" die bei tiefen Temperaturen aufplatzen, dennoch ist dann spätestens hier die Reise vorbei. Weitere Beachtung sollten natürlich wie immer bei einer Winter-Inspektion auch Batterie, Öle, Scheinwerfer und Licht im allgemeinen finden.

Was genau ist also unverzichtbar auf der Reise? Abgesehen von jeder Menge Frostschutzmittel ein Besen! Und natürlich ein Kratzer. Ich empfehle auch einen zweiten Satz Scheibenwischer. Denn so schnell wie diese Dinger bei den Temperaturen verschleißen, ist die Notwendigkeit eines zweiten Satzes praktisch garantiert. Auch wenn man dort oben jederzeit welche kaufen kann, empfehle ich schon in Deutschland welche einzupacken, um die ewige Sucherei in Baumärkten zu umgehen. Des weiteren haben mir schon häufig Schneeketten im wahrsten Sinne "aus dem Graben" geholfen. In manchen Gegenden kann es auch sein, dass über längere Zeit kein Fahrzeug vorbei kommt. Man muss sich in diesem Fall wirklich selbst zu helfen wissen. Deswegen kann ich auch eine Winde, Umlenkrollen und weiteres Bergematerial empfehlen. Wer keine Windenstoßstange besitzt, sollte sich einen manuellen Seilzug benutzen. Dieser hat auch den Vorteil, dass er auch hinten am Fahrzeug angebracht werden kann. Als nächsten Punkt denke ich immer an Reservekraftstoff. Bitte aber erst in Mittelschweden tanken. In Deutschland gibt es andere Mischungen. Es könnte also sein, dass der mitgebrachte Sprit bei nordskandinavischen Temperaturen beginnt Probleme zu bereiten. Weshalb überhaupt Reservesprit? Ich kann mich an nicht gerade wenige Situationen der verzweifelten Tankstellensuche erinnern. Mehrmals war ich wirklich wegen Falscheinschätzung auf die Reserve angewiesen. Ach, macht das eine Freude bei -25°C und Schneesturm auf dem Pass bei Riksgränsen und 50cm Schneeverwehungen auf der Straße den Tank mit dem Kanister wieder aufzufüllen - vor allem dann, wenn man den Kanister erstmal vom Dach bekommen muss.

Gehen wir mal weiter zum Thema Beleuchtung, was im Grunde genommen ein eigenes Kapitel für sich ist. Hier im "Süden" sind ja mittlerweile LED Light Bars oder LED Scheinwerfer sehr in Mode. Für den Norden natürlich was ganz tolles, weil es nördlich vom Polarkreis um den Jahreswechsel ja gar nicht mehr so richtig hell wird. Licht ist deswegen natürlich sinnvoll und beugt auf den langen dunklen Strecken in Schweden die Ermüdung vor. Deswegen habe ich mich bei meinem Landy für eine 300W LED Light Bar entschieden, welche an den Dachträger montiert ist und über eine extra Relais-Schaltung bestens ansteuerbar ist. Zwei Anmerkungen zu LED Light Bars: nicht das billigste vom billigsten von Amazon kaufen! Zweitens muss bei LED Technologie immer berücksichtigt werden, dass Sie praktisch keine Wärmeentwicklung haben. Die Folge davon ist, dass bei Schneefall die LEDs sofort mit Schnee und Eis zukleben und regelmäßig gereinigt werden müssen. Sollte dein Fahrzeug also noch Halogen Scheinwerfer haben und du planst in den Norden zu reisen, dann würde ich an deiner Stelle auf keinen Fall auf LED umrüsten. Es genügt schon wenn das Zusatzlicht schon regelmäßig von Schnee und Eis befreit werden muss.

Das waren nur einige Beispiele der Erfahrungen, die wir auf unseren Expeditionen gemacht haben. Die Liste mit Tipps ist also nicht abschließend und ist in meinem Kopf wirklich ellenlang. Jedenfalls freuen wDie erste Reise die mich in den hohen Norden gebracht hatte ist etwas über eine Dekade her. Damals noch per Anhalter und im Biwak, bin ich die letzten Jahre immer wieder mit dem Offroader in diese außergewöhnliche Region Europas gefahren.ir uns auch schon wieder darauf in 2022 an das Nordkap aufzubrechen und durch das Land der Polarlichter zu reisen. Bis dahin kommen sicherlich noch ein paar Impulse zum Thema Winter-Offroading.

Bis dahin!

Alan Lehr

Gründer und Guide

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